Anna Bak

Fatal Waves

17.08.2024 - 13.10.2024

Anna Bak setzt sich intensiv mit der Beziehung von Mensch und Natur auseinander. Ein besonderes Interesse ihrer historischen und kulturellen Recherchen sind die Geschichten, die Menschen seit jeher erfunden haben, um eine Verbindung zur Natur herzustellen. Ein gutes Beispiel hierfür ist Anna Baks Skulptur der zwei Schwalben, die hoch oben im Gebälk der Kunsthalle hängt. Seefahrer nutzen sie als Symbol. Wie die Schwalben ziehen sie selbst um die Welt und kehren doch immer nach Hause zurück.
 
Die See ist dunkel und weit. Sie ist ruhig und tief. Sie ist aufbrausend und ungehalten. Sie endet mit den Landmassen, auf die sie triff. Sie schwappt auf sandige Strände, knallt gegen steile Küsten, bringt kleine Kieselsteine zum Flüstern und umspült die Felsen des Ufers. Der Mond bestimmt die Gezeiten. Über ihr Kommen und Gehen entscheidet die Konstellation der Planeten. Manche Tiere lassen sich bändigen, doch die See bleibt unzähmbar. Es liegt nicht in der Macht des Menschen sie zu beeinflussen. Sie ist eine Naturgewalt. Sich hinaus zu begeben, um ihre Früchte zu ernten ist gefährlich.
 
Das Wasser in der Kunsthalle Thy ist dunkel und still. In der Spiegelung wird das Licht, das durch die vielen kleinen Löcher im Dach fällt zu Sternen. Aus dem Dunkel des Wassers ragen Teile eines Schiffswracks.
 
Fischer können ihre Boote auf dem neuesten Stand der Technik halten, ihre Besatzung gut ausbilden, die Netze pflegen, die Seekarten studieren und die Wetterberichte verfolgen. Doch Erfolg oder Misserfolg des Fangs und die Sicherheit der Besatzung liegen nicht nur in den Händen des Kapitäns sondern sind auch abhängig von den Naturgewalten. Es ist schwer ihnen zu vertrauen und sich ihnen zu ergeben. Menschen, die besonders eng mit der Natur zusammenarbeiten, erfinden seit jeher Geschichten, um eine persönliche Verbindung zu ihr aufzubauen. Geschichten von mythischen Wesen, die halb Mensch halb Tier sind, wie etwa Meerjungfrauen oder Zentauren.
 
Am Ufer des Wassers in der Kunsthalle liegt eine Meerjungfrau, einer ihrer Arme erinnert an die Schere einen Krebses ihr Kopf ist verdeckt von einem Seestern.
 
Als das Christentum sich im westlichen Teil der Welt ausbreitete wurde der Glaube an mythische Wesen langsam durch den Glauben an einen einzigen Gott ersetzt, der alle Geschicke lenkt. Ihm zu dienen und sich an seine Regeln zu halten gab den Gläubigen die Gewissheit alles für die eigene Sicherheit getan zu haben. Natürlich änderte der Glauben nichts an den tatsächlichen Zahlen der Opfer auf See. Jedoch lag die Verantwortung nun in den Händen der Gläubigen. Wurde regelmäßig die Andacht besucht, genug gebetet und regelmäßig Buße getan? Wurden tatsächlich alle Regeln beachtet und auf Alkohol, Tanz, Kartenspiele oder Fernsehen verzichtet? Die Natur interessiert das nicht. Heute scheint die Technologie den Menschen die Sicherheit geben zu können alles in ihrer Macht stehende zu tun, um mögliche Gefahren vorherzusehen. Es ist dieser Glaube, der uns Sicherheit und Vertrauen in unsere Umwelt gibt. Zukünftige Generationen mögen auf unsere Zeit zurückschauen und auch diesen Glauben in Frage stellen.
 
Ein Licht wandert durch die Kunsthalle. Es hat seinen Ursprung im Kopf einer Skulptur, sie ist halb Krake halb Leuchtturm – Halb Tier halb Maschine.
 
Vielleicht hat sich jeder schon einmal eine Muschel ans Ohr gehalten und gemeint darin das Meer rauschen zu hören. Eigentlich ist es das Rauschen unseres Blutes, das von dem Resonanzraum der Muschel wiederhallt. Dieser Gedanke steht sinnbildlich dafür, wie die möliche Einheit zwischen Mensch und Natur eine immer wiederkehrende Idee des Menschen ist. In diesem Sinne wird Julie Hjetland eine Muschelskulptur von Anna Bak zu ihrem Resonanzkörper machen und ihre Stimme durch sie erklingen lassen. Ihr Gesang lässt so eine neue vitale Verbindung zwischen den einzelnen Akteuren der Ausstellung entstehen.
 
Text von Marina Rüdiger
 
Anna Bak ist Künstlerin und Kuratorin. Sie hat an der Funen Arts Academy in Dänemark studiert und besuchte ein Jahr die Montana State University in Bozeman, USA mit einem Fullbright Stipendium. 2014 hatte sie ein Aufenthaltsstipendium an dem postgraduierten Institut der Jan Van Eyck Academie in Maastrich. In Dänemark zeigte sie ihre Arbeiten in GL STRAND in Kopenhagen, der Kunsthal NORD in Aalborg und im Institut für Zeitgenössische Kunst in Kopenhagen. Sie hat im Museum Het Valkhof in Nijmegen, im Studio 47 in Amsterdam und in der Glucksman Gallery in Cork, Irland ausgestellt. Sie nahm an Aufenthaltsstipendien der Danish Art Foundation in Istanbul, Türkei und am Capacete institute in Rio De Janeiro, Brasilien teil. 2015 brachte sie das Buch “Wilderness Survival – a guide to the aesthetics of survivalism”, herausgegeben vom niederländischen Verlag und Ausstellungsraum Onomatopee.
 
Jullie Hjetland arbeitet als Musikerin und Komponistin in den Genres Folk, Jazz und Electronica. Sie studierte an der Carl-Nielsen-Musikhochschule in Odense, der Königlichen Musikhochschule Stockholm, der Sibelius-Akademie Helsinki und machte ihren Masterabschluss an der Ole Bull Academy in Voss, einem Teil der Universität Bergen. Hjetland nimmt in verschiedenen skandinavischen Sprachen auf. Seit der Gründung 2004 ist die Frontfrau der dänischen Folk-Band Basco und spielt in ihrem Projekt Lukkif Folkbeeinflusste elektronische Musik. Mit der Band von Karl Seglem und Christoph Stiefel legte sie zwei Alben mit Jazz vor. Im Trio mit Irene Becker und Benita Haastrup und mit der Gruppe Nordens Tone erkundet sie den Grenzbereich zwischen Folk und Jazz. Hjetland hat daneben mit dem dänischen Musiker und Komponisten Henrik Marstal ein Duo gebildet,
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